Was ist Schmerz? (Lesedauer: 5 Minuten)
Schmerz ist eine unangenehme sensorische und gefühlsmäßige Erfahrung, die mit einer tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder in Form solcher Schädigungen beschrieben wird. (International Association for the Study of Pain (IASP))
Schmerzen werden also sowohl sensorisch (z.B. dumpf, drückend, pochend, bohrend, klopfend, stechend, ziehend-reißend, heiß, brennend) als auch gefühlsmäßig (affektiv, emotional, z.B. elend, schauderhaft, scheußlich, furchtbar, quälend, mörderisch, erschöpfend) erlebt. Der Schmerz ist also ein Sinnes- und Gefühlserlebnis. Besonders bei langfristigen Schmerzen nimmt der emotionale Anteil der Schmerzen eine immer größere Rolle ein. Der Schmerz ist sehr individuell und kann unabhängig von einer körperlichen „Ursache“/Schädigung/Verletzung auftreten.
Die deutsche Schmerzliga geht davon aus, dass Rückenschmerzen in ca. 90% der Fälle „funktionell“ oder „unspezifisch“ sind. Das bedeutet, es lässt sich keine eindeutige körperliche Schädigung als Ursache feststellen. Dies deckt sich mit der Forschung, die gezeigt hat, dass das Schmerzempfinden selten mit dauerhaften Verletzungen einhergeht. Und wenn eine Schädigung vorliegt, erklärt diese häufig nicht das Ausmaß an Schmerz, dass empfunden wird.
Viel häufiger liegt die Ursache in Veränderungen verschiedener Körperfunktionen, wie z.B. muskuläre Verspannungen/ Defizite oder verkürzte Bänder, die durch Bewegungsmangel, falsche Belastungen (Fehlhaltungen), Stress, häufiges Sitzen oder private und berufliche Konflikte entstanden sind.
Dies bedeutet, dass sich die Schmerzen auch besser behandeln lassen. Denn Muskeln und Bänder lassen sich besser behandeln als dauerhafte Schädigungen des Körpers.
Warum empfinden wir Schmerz?
Schmerzen helfen uns, Gefahren abzuwenden und unseren Körper vor Verletzungen zu schützen. Ohne Schmerzen wäre es uns kaum möglich, ein langes und zufriedenes Leben zu führen.
Wie entsteht akuter Schmerz?
Überall im Körper befinden sich sogenannte Nozizeptoren. Diese senden bei drohender oder erfolgter Gewebeschädigung (Verletzung) elektrische Signale zum Rückenmark, und von dort zum Gehirn. Gehirn und Rückenmark (beides Schaltstellen) tauschen sich konstant aus, wodurch das Schmerzsignal verstärkt oder gehemmt wird.

Zu sehen sind verschiedene „Schaltstellen“ im Körper. Eine im Rückenmark („Tor“) und weitere im Gehirn. Der Schmerzreiz verläuft über Nervenbahnen ins Rückenmark durch ein „Tor“ hindurch. Dort wird das Signal weiterverarbeitet und ins Gehirn gesendet. Das Gehirn kann das Signal des Rückenmarks hemmen und so den Schmerz beeinflussen. Im Gehirn selber wird das Signal ebenfalls an verschiedenen Stellen verarbeitet und beeinflusst.
Wir haben also neben dem „mechanischen“ (Schmerz-)Signal auch verschiedene „Schaltstellen“ im Körper, die die Schmerzstärke beeinflussen. Wie stark wir den Schmerz empfinden, hängt also nicht nur von der Stärke des Reizes ab (z.B. wie „schwer“ wir uns verletzen), sondern zusätzlich von vielen weiteren Faktoren wie unseren Gefühlen, Gedanken, Verhalten, vergangenen Erfahrungen oder auch der Empfindlichkeit unserer Nozizeptoren. In jedem Moment beeinflussen wir so (unbewusst) die Stärke des Schmerzes!
Wussten Sie, dass im Gehirn Schmerzen und Gefühle in ähnlichen Bereichen verarbeitet werden? Bei sozialer Ablehnung (z.B. Mobbing/Konflikte am Arbeitsplatz) oder sozialer Verlust (z. B. Trennung oder ein Todesfall) wird deshalb neben der Trauer auch ein körperlicher Schmerz ausgelöst und empfunden.
Schmerzen und Gefühle sind untrennbar, beeinflussen sich immer gegenseitig.
Das Schmerzgedächtnis
Wenn ein Schmerz wiederholt auftritt, sensibilisiert sich sowohl der Bereich, in dem der Schmerz ausgelöst wird, als auch die Nervenbahnen, die den Schmerz transportieren und die Bereiche im Gehirn, die den Schmerz verarbeiten. Zukünftig reichen dann bereits geringere Schmerzreize, die ein starkes Signal auslösen. Dies kann so weit gehen, dass manche Menschen sogar ganz ohne Schmerzreiz Schmerzen empfinden.
Was beeinflusst den Schmerz?
Viele Faktoren beeinflussen die Schmerzstärke. Stress, negative Gedanken, Angst, Depression und Einsamkeit verstärken z.B. den Schmerz. Im Gegensatz dazu wirken Freude, soziale Unterstützung oder Bewegung schmerzlindernd, da sich dadurch das „Tor“ im Rückenmark (siehe Bild oben) schließt und weniger Schmerz ins Gehirn gelangen kann.
Nachdem wir jetzt wissen, wie „akute“ Schmerzen funktionieren, schauen wir nun, wie daraus chronische Schmerzen werden können. Wie das funktioniert, wird auf der nächsten Seite erklärt:
Zusammenfassung:
- Schmerzen werden immer körperlich und als Gefühl erlebt.
- Meistens liegt keine Schädigung der Knochen oder des Körpers vor, sondern Veränderungen der Muskeln und Bänder.
- Selbst wenn eine Schädigung vorhanden ist, erklärt diese häufig nicht das Ausmaß des Schmerzes.
- Das Schmerzsignal wird über das Rückenmark ins Gehirn gesendet und dort verarbeitet.
- Im Rückenmark befindet sich ein "Tor", das je nach Befinden unterschiedlich viel Schmerz "hindurch" lässt.
- Soziale Ablehnung oder sozialer Verlust lösen körperlichen Schmerz aus.
- Schmerz hängt untrennbar mit Gedanken, Gefühlen und Verhalten zusammen.
- Schmerzen sollten ganzheitlich und nicht nur medizinisch/körperlich betrachtet werden.