Fibromyalgie-Syndrom

Das Fibromyalgie-Syndrom

Etwa 2 % der Bevölkerung in Deutschland sind vom Fibromyalgie-Syndrom betroffen. Leider wird diese Erkrankung noch immer häufig unterschätzt oder nicht ausreichend behandelt. Der Begriff „Fibromyalgie“ setzt sich zusammen aus dem lateinischen fibra (Faser) und den griechischen Wörtern mys (Muskel) und algos (Schmerz) – wörtlich also: Faser-Muskel-Schmerz.

Typisch ist eine gestörte Verarbeitung von Stress und Schmerzen – vergleichbar mit einer Stereoanlage, bei der der Lautstärkeregler defekt ist und Schmerzsignale zu laut wiedergegeben werden.

Kernsymptome der Erkrankung sind:

  • Chronische Schmerzen in mehreren Köperregionen
  • Schlafstörungen bzw. nicht erholsamer Schlaf
  • Körperliche und/oder geistige Erschöpfung (Müdigkeit)
Häufige Begleitsymptome (laut Befragung der Deutscher Fibromyalgie-Vereinigung e. V.)

Mehr als 95 % der befragten Mitglieder berichteten zusätzlich über:

  • Muskelschmerzen mit wechselnder Lokalisation
  • Rückenschmerzen
  • Müdigkeit
  • Gelenkschmerzen mit wechselnder Lokalisation
  • Gefühl schlecht geschlafen zu haben
  • Morgensteifigkeit
  • Zerschlagenheitsgefühl am Morgen
  • Konzentrationsschwäche
  • Antriebsschwäche
  • Leistungsfähigkeit: gering
  • Vergesslichkeit
  • Reizbarkeit
  • Wetterfühligkeit
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Die Vielzahl der Symptome ähnelt häufig jenen einer Depression.

Die Diagnose erfolgt gemäß der S3-Leitlinie über eine Kombination aus:

  • Schmerzskizze oder regionaler Schmerzskala

  • Erfassung weiterer Kernsymptome

  • Medizinischer Anamnese (inkl. Medikamenten)

  • Körperlicher Untersuchung (z. B. Haut, Neurologie, Orthopädie)

  • Basislabor (u. a. Entzündungswerte, Vitamin D, Schilddrüse, Kalzium, CK)

  • Abklärung möglicher körperlicher oder psychischer Begleiterkrankungen

Psychotherapeutische Abklärung wird empfohlen bei:

  • Ausgeprägter seelischer Belastung (z. B. Ängste, Depression)

  • Psychosozialem Stress oder biografischen Belastungen

  • Vorheriger psychiatrischer Behandlung

  • Ungünstiger Krankheitsverarbeitung

Merksätze zum Fibromyalgie-Syndrom

  • Es handelt sich um eine funktionelle Störung, nicht um eine entzündliche oder strukturelle Erkrankung.

  • Die Krankheit und ihre Schmerzen sind real – auch ohne sichtbare Schäden im Körper.

  • Biologische, psychologische und soziale Faktoren wirken zusammen und verstärken sich wechselseitig.

  • Die Lebenserwartung ist nicht eingeschränkt.

  • Eigene Aktivität kann die Beschwerden lindern.

Stell dir den Körper wie ein Orchester vor: Bei einer funktionellen Störung spielen die Instrumente zwar, aber nicht mehr im Takt – ohne dass eines kaputt ist. Organfunktionen sind gestört, aber ohne sichtbare Schäden. Die Ursachen liegen oft in einem überreizten Nervensystem, etwa durch anhaltenden Stress.

Beim Fibromyalgie-Syndrom reagiert das Gehirn überempfindlich – ähnlich einem Rauchmelder, der bereits bei Wasserdampf Alarm schlägt. So entstehen Symptome wie Schmerzen, Schlafstörungen oder Schwindel – ohne gefährliche Ursache.

Risikofaktoren

Die genauen Ursachen sind unbekannt, aber folgende Faktoren stehen im Verdacht:

  • Biologisch:

    • Entzündlich-rheumatische Erkrankungen

    • Genetische Veranlagungen

    • Vitamin-D-Mangel

    Lebensstil:

    • Rauchen

    • Übergewicht

    • Bewegungsmangel

    Psychisch:

    • Traumatische Erfahrungen in Kindheit oder Erwachsenenalter

    • Depressionen

Entstehungsmodell

Wir gehen heute davon aus, dass das Fibromyalgie-Syndrom durch ein Zusammenspiel von Veranlagung (Vulnerabilität) und Stressfaktoren entsteht. Ähnlich wie bei einem überlaufenden Fass: Ist das Fass (Vulnerabilität) schon gut gefüllt, reicht ein kleiner Stressor – z. B. ein Jobverlust oder eine Trennung – und die Symptome treten über.

Diese entstehen durch eine Überaktivierung des „Stresssystems“ im Gehirn (Sympathikus). Typische Beschwerden:

  • Nervosität, Unruhe

  • Schlaflosigkeit

  • Reizbarkeit

  • Kopfschmerzen

  • Herzrasen

  • Magen-Darm-Beschwerden

  • Muskelverspannungen

Therapie

Ausdauertraining
  • Geeignete Aktivitäten sind z. B. zügiges Gehen, Walken, Radfahren, Ergometertraining, Tanzen oder Aquajogging.

  • Die Trainingsintensität sollte niedrig bis mittel sein.

  • Empfohlen wird ein Training zwei- bis dreimal pro Woche über mindestens 30 Minuten.

Wassergymnastik
  • Kombination aus Ausdauertraining, Beweglichkeits-, Koordinations- und Kräftigungsübungen.

  • Die Intensität soll niedrig bis mittel sein.

  • Empfohlen wird eine Frequenz von zwei- bis dreimal pro Woche über mindestens 30 Minuten.

Trockengymnastik
  • Ebenfalls eine Kombination aus Ausdauer-, Beweglichkeits-, Koordinations- und Kräftigungsübungen.

  • Die Intensität ist niedrig bis mittel.

  • Zwei- bis dreimal pro Woche mindestens 30 Minuten werden empfohlen.

Krafttraining
  • Zwei Mal pro Woche für jeweils 60 Minuten.

Funktionstraining
  • Trocken- oder Wassergymnastik in der Gruppe.

  • Wird auf ärztliches Rezept verordnet.

  • Zwei Mal pro Woche, mindestens 30 Minuten.

  • Trainingsintensität: niedrig bis mittel.

Weitere Verfahren
  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) in Kombination mit Ausdauertraining

  • Entspannungstechniken (z. B. progressive Muskelentspannung, autogenes Training) in Kombination mit Ausdauertraining

  • Meditative Bewegungstherapien wie Tai Chi, Qi Gong oder Yoga

  • Spa-Therapie (z. B. Bäder, Packungen)

  • Multimodale Therapie: Kombination mindestens eines aktivierenden Verfahrens mit mindestens einem psychotherapeutischen Verfahren

Offene Empfehlungen:
  • Muskeldehnung (Stretching)

  • Vibrationstraining

  • Biosauna und Infrarotkabine

  • Physiotherapie

  • Ergotherapie

Medikamentöse Therapie
  • Amitriptylin

    • Dosierung: 10–50 mg pro Tag

    • Nur zeitlich begrenzt anwenden

  • Duloxetin

    • Dosierung: 60 mg pro Tag

    • Zeitlich befristete Anwendung empfohlen

    • Besonders geeignet bei begleitender Major Depression oder generalisierter Angststörung

  • Pregabalin

    • Dosierung: 150–450 mg pro Tag

    • Ebenfalls zeitlich begrenzte Anwendung

    • Indiziert bei komorbider generalisierter Angststörung

Nicht empfohlen:
  • Starke Opioide

  • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)

Weitere Hilfe gibt es u.a. bei der: Rheuma-Liga oder Deutsche Fibromyalgie Vereinigung

Quellen: Deutsche Schmerzgesellschaft. Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms. Available from: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/145-004.html [cited: 04.12.2023] Internet: www.awmf-leitlinien.de

Häuser, Winfried & Zimmer, C. & Felde, E. & Köllner, Volker. (2008). Was sind die Kernsymptome des Fibromyalgiesyndroms?: Umfrageergebnisse der Deutschen Fibromyalgievereinigung. Der Schmerz. 22.

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