Therapie

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Die Therapie von chronischen Schmerzen: (Lesedauer: 8 Minuten

Erste Anlaufstelle:
Der erste Weg führt in der Regel zum Hausarzt oder einem Facharzt. Dieser sammelt Befunde, schließt ernsthafte Erkrankungen aus und überweist Betroffene gegebenenfalls an Spezialisten. Um einer Chronifizierung entgegenzuwirken, sollte die Behandlung möglichst früh beginnen.

Akute Schmerzen verschwinden häufig nach einigen Wochen von selbst – daher ist es wichtig, sich in dieser Phase aktiv zu verhalten. Das bedeutet: regelmäßige Bewegung, keine Schonhaltungen wie dauerhaftes Liegen oder Sitzen. Maximal 1–2 Tage Bettruhe sind vertretbar – danach sollte die Aktivität wieder aufgenommen werden.

Wichtig: Es sollte nicht zu lange nach der einen körperlichen Ursache gesucht werden. Stattdessen sollte der Fokus frühzeitig auf aktive Behandlungsstrategien gelegt werden. Schwere körperliche Ursachen sind selten und meist schnell auszuschließen. Zu viele Untersuchungen führen oft zu Frustration und einer gedanklichen Fixierung auf den Schmerz. Ziel ist, dass Betroffene zu Experten für ihre eigenen Schmerzen werden und aktiv lernen, damit umzugehen – etwa in einer Schmerzpraxis oder einem Schmerzzentrum.

Warnzeichen („Rote Flaggen“)

Bestimmte Symptome erfordern sofortige ärztliche Abklärung:

  • Schmerzen nach einem Unfall

  • Taubheitsgefühle in Armen oder Beinen

  • Lähmungen

  • Fieber, Blässe, Übelkeit

  • Störungen der Blasen- oder Darmfunktion

Aktiv statt passiv

In der modernen Schmerztherapie liegt der Fokus klar auf aktiven Maßnahmen: Bewegung, Eigenübungen, aktives Verhalten. Passive Behandlungen (wie Massagen oder Spritzen) können sinnvoll sein – sollten aber nie die Eigenaktivität ersetzen. Denn durch Passivität baut der Körper Muskulatur ab, das Schmerzempfinden verschärft sich.

Neuroplastizität – Schmerzen „verlernen“

Das Gehirn lernt über Wiederholung. Wird ein Schmerzsignal häufig aktiviert, festigen sich diese Verbindungen – Schmerz wird zum Dauerzustand. Ganz löschen lässt sich dieser Schmerz nicht – wohl aber überschreiben: Neue Verhaltensmuster, Bewegungen und Denkweisen können neue „Wege“ im Gehirn bilden. Ziel der Therapie ist es, neue, gesündere Verbindungen zu stärken und alte zu schwächen.

1) Durch die Schonung nimmt die Kraft im Körper ab und bestimmte Muskeln verspannen sich. Dieses Ungleichgewicht führt zu Fehlhaltungen (die weitere Schmerzen auslösen, sowie zu Stress und schnellerer Ermüdung), was zu negativen Gefühlen, Rückzug und schließlich zu einer niedrigeren Schmerzschwelle führt, was wiederum die Schmerzen verstärkt.
2. Rot markiert sind Möglichkeiten aufgeführt, die Chronifizierung zu unterbrechen: Krankengymnastik (KG) gegen Verspannungen, Aktivierung gegen Stress und Ermüdung, Psychotherapie gegen Depressionen, Ängste und sozialen Rückzug, Entspannung gegen Stress, Schmerzbewältigungstraining zur Erhöhung der Schmerzschwelle und Schmerztherapie zur direkten Beeinflussung des Schmerzes.
Teufelskreis durchbrechen

Chronischer Schmerz entsteht oft durch einen Kreislauf aus Schonung, Verspannung, Rückzug und psychischer Belastung.

Typischer Verlauf:
  1. Schmerz → Schonung

  2. Weniger Bewegung → Muskelabbau, Verspannung

  3. Verspannung → mehr Schmerzen

  4. Schmerzen → Rückzug, Frust, Anspannung

  5. Schmerzschwelle sinkt → erneute Verstärkung des Schmerzes

Möglichkeiten, den Kreislauf zu unterbrechen:
  • Krankengymnastik: zur Lockerung verspannter Muskulatur

  • Aktivierung: gegen Stress und Erschöpfung

  • Psychotherapie: gegen Rückzug, Angst und Depression

  • Entspannungstechniken: zur Reduktion von Stress

  • Schmerzbewältigungstraining: zur Erhöhung der Schmerzschwelle

  • Schmerztherapie: zur gezielten Behandlung chronischer Schmerzen

Bewegung – das zentrale Element

Bewegung ist der wichtigste Bestandteil der Schmerztherapie. Sie sollte regelmäßig erfolgen – angepasst, aber kontinuierlich. Ziel ist eine langsame Steigerung der Belastbarkeit.

Bewegung schüttet Endorphine aus – körpereigene Schmerzmittel ohne Nebenwirkungen. Entscheidend ist nicht die Art der Bewegung, sondern die Regelmäßigkeit:
Spazierengehen, Radfahren, Schwimmen, Gymnastik oder Yoga – alles ist hilfreich. Auch Bewegung im Sitzen kann eine Option sein.

Wichtig: Mit kleinen Schritten beginnen, Freude an Bewegung entwickeln – nicht überfordern.

Muskelaufbau

Chronische Schmerzen hängen oft mit einer geschwächten Haltemuskulatur zusammen – insbesondere in Rumpf, Rücken und Bauch. Diese Muskeln sollten gezielt gestärkt werden – am besten mit professioneller Anleitung (Physiotherapie, Bücher, Online-Videos). Wichtig: korrekte Ausführung und konsequentes Üben.

Akute Hilfe

Bei starken Schmerzen helfen oft Wärmeanwendungen, Massagen oder – in Absprache mit dem Arzt – Medikamente oder Injektionen. Diese sollen nicht dauerhaft, sondern vorübergehend eingesetzt werden, um Bewegung wieder zu ermöglichen.

Informationen sammeln

Viele Menschen glauben, Schmerzen seien unkontrollierbar – das stimmt so nicht. Mit einem Schmerztagebuch lassen sich Auslöser und lindernde Einflüsse erkennen. Es kann helfen, Muster im Alltag zu verstehen: Was tut mir gut, was verschlechtert den Schmerz?

Wichtige Einträge:

  • Zeitpunkt, Dauer und Form der Aktivität

  • Körperhaltung

  • Gedanken und Emotionen

  • Schmerzintensität

  • Medikamenteneinnahme

Mit diesen Informationen lässt sich ein Wochenplan erstellen, um gezielt Dinge zu vermeiden oder zu integrieren, die den Schmerz beeinflussen.

Link: PDF Vorlage Schmerztagebuch

Link: PDF Vorlage Wochenplan

Alltag analysieren

Viele Schmerzen entstehen durch einseitige Belastungen im Alltag. Deshalb: Den eigenen Tagesablauf kritisch prüfen.

  • Sitze ich zu viel? → regelmäßig aufstehen und bewegen

  • Bücke ich mich oft? → auf Technik und Ausgleich achten

  • Gibt es Konflikte am Arbeitsplatz? → psychische Belastungen reflektieren

Wer sich nach der Arbeit regelmäßig erschöpft, verspannt oder gestresst fühlt, sollte dringend Veränderungen anstreben.

Entspannungsübungen

Verspannungen entstehen sowohl durch Schmerz als auch als Reaktion auf Schmerz. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, helfen Entspannungstechniken wie:

  • Progressive Muskelentspannung (PMR)

  • Atemübungen

  • Imaginationsübungen / Traumreisen

Diese Methoden sind einfach zu erlernen und wirksam gegen innere Anspannung.

Link: Verschiedene Entspannungsübungen

Weitere Symptome behandeln

Auch Schlafprobleme, ständiges Grübelnoder hoher Stress beeinflussen das Schmerzempfinden negativ. All diese Begleitsymptome sind behandelbar – Informationen dazu finden sich auf der Website.

Spezialisierte Schmerztherapie

Wenn ambulante Therapien nicht ausreichen, kann eine stationäre, multimodale Schmerztherapie sinnvoll sein. Dabei wird das Schmerzgeschehen von einem Team aus Fachleuten umfassend analysiert – und ein individueller Therapieplan erstellt, der später zu Hause weitergeführt wird.

Psychotherapie

Wenn Schmerzen stark belasten, ist Psychotherapie eine wichtige Unterstützung. Sie hilft, belastende Gedanken, ungünstige Verhaltensmuster oder emotionale Reaktionen zu erkennen und zu verändern – oft auf körperlicher, psychologischer und sozialer Ebene.

Link: Psychotherapie finden

Die wichtigste Person in der Schmerztherapie: Sie selbst!

Alle genannten Maßnahmen erfordern die aktive Mitarbeit der Betroffenen. Studien zeigen: Ihre Eigeninitiative ist der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Therapie. Das langfristige Ziel ist es, mit Unterstützung durch Ärzt:innen und Therapeut:innen selbstständig mit dem Schmerz umgehen zu können – und dadurch unabhängiger zu werden.

Sie haben nun den psychoedukativen Teil der Website zum Thema chronische Schmerzen gelesen. Nutzen Sie diesen Moment direkt für eine erste Übung – etwa aus dem Bereich Entspannung oder Achtsamkeit.

Zusammenfassung:

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